back
REVIEW

Karl Bösmann " Unton "
by Rigobert Dittmann of Bad Alchemy
(Badbeatz Records, bbr23): Der Mann, der wie eine Romanfigur heißt, wurde bereits mit seiner Tosom-CD-R Das Kind in der Küche in BA 46 vorgestellt. Wenn auch am nichtakademischen
Ende des EA-Spektrums angesiedelt, versteht es der Beilsteiner sehr wohl, die Einbildungskraft mit Giften und Drogen zu reizen. Dass Bösmann als musikalische Einflüsse der letzten 5 Jahre Xenakis, Nitsch, Nurse With Wound, die Ruins, Ghedalia Tazartes, Aube, David Jackman, AMM u.v.m. nennt, lässt einigen Ehrgeiz vermuten, den er mit Unton in Klang umzusetzen bestrebt ist. Das neunteilige Werk ist strukturiert in die vier etwa 10-minütigen Teile ‚The Silence I never said‘, ‚Esplentorture‘, ‚Unton‘ und ‚Brainworm, Oh! Brainworm‘ und das 5-minütige ‚Nachtwerk‘, unterbrochen jeweils durch die Miniaturen ‚Ton 1, 2 & 3‘ und das 1-minütige ‚Sacre Kaiphas‘. Neusachliche Tonsetzternüchternheit reibt sich also an anspielungsreicher Postindustrialpoesie. Dazu gehört nicht allzu viel. Bösmanns musikalische Umsetzungen sind jedoch absolut gekonnte und extrem effektvolle Synapsenanbohrer, die einen mit wechselvollen Schattenspielen fesseln und auf Tripps auf die Nachtseite des Bewusstseins entführen. Mit mehrspuriger, vielstimmer Instrumentierung und großer klanglicher und rhythmischer Prägnanz werden Spannungsbögen ins Ominöse vorgeschoben und das Sichvorantasten der Imagination mit dramatisch wechselndem Feeling verknüpft. Dafür bringt Bösmann neben Elektronik und Samples auch Instrumente wie Gitarre, Bass, Perkussion, Akkordeon etc. zum Einsatz und scheut sich nicht vor intensivem Postrockgedröhn und ostinaten Loopeffekten. Wer weiß schon, was der Brainworm mit einem Elch anstellt. Unton jedenfalls wirkt wie ein Nasenring mit Zug ins Abgründige, Phantastische, nicht Geheure.
log